Der Dortmunder Budolehrgang fand 2016 schon zum 22ten Mal statt. Das erste Mal habe ich ihn 2008 besucht. Auch schon wieder lange her. Hier also ein kurzer Überblick darüber was geboten wird, und warum ich ihn so sehr empfehlen kann und möchte.
Die Idee des Lehrgangs ist schnell erklärt: Man suche erfahrene Dozenten zusammen, biete diverse Budo-Disziplinen an und lasse die Teilnehmer wählen, worauf sie Lust haben. So genannte „Multi-Sport-Lehrgänge“ finde ich ohnehin super, kann man doch mal ein wenig über seinen üblichen Tellerrand blicken. In Dortmund kommt als
Besonderheit hinzu, dass man zu jeder Einheit zwischen vier Trainern, bzw. Einheiten wählen kann.
Dieses Jahr hat mich Christopher begleitet und da unsere Budo-Interessen recht ähnlich ausgerichtet sind war schnell klar, für welche Kurse wir uns entscheiden würden. Gewählt haben wir folgende Einheiten:
- Kun-Tao mit Wolfgang Ebel
- MMA Free Fight mit Ralf Seeger
- Grappling / BJJ mit Delroy Jackman
- Tai Chi Chuan mit Peter Rutkowski
Kun-Tao mit Wolfgang Ebel
Kun-Tao war mir bis dato gänzlich unbekannt. Es handelt sich um eine Art der chinesischen
Selbstverteidigung, welche insbesondere auf Nervenpunkte abzielt. Das Training wurde durch Wolfgang und seine beiden Assistenten strukturiert und sehr sympathisch aufgebaut. Hier wurde
schnell klar, dass man nicht ohne blaue Flecken davon kommt (aber das war ja auch nie das Ziel…). Aus Bujinkan-Sicht könnte man grob(!) sagen, dass der Stil mit dem Gyokku-Ryu vergleichbar ist. Natürlich bewegt man sich anders, aber wir haben doch einige Parallelen feststellen können. Wir haben hier Abwehrmöglichkeiten gegen Faustschläge zum Kopf und Bauch geübt und uns dabei nach innen und außen bewegt. Angegriffen wird wohl immer das Körperteil, welches sich gerade als Öffnung bietet. Sehr schön fand ich hier auch, dass viel Wert auf effiziente Bewegungen und das Schließen von Öffnungen gelegt wurde. Mehr zu diesem Thema findest du auf der Kun-Tao Seite von Wolfgang Ebel (die meiste Zeit guckt er nicht so böse wie auf dem Foto dort).
MMA Freefight mit Ralf Seeger
Auf diese Einheit habe ich mich besonders gefreut. Mit Ralf durfte ich bereits 2008 trainieren. Der Workshop startete mit Aufwärmübungen im Ringerstil, welche ich mir unbedingt ins Judo-Training mitnehmen muss. Sehr anstrengend, sehr funktional. Weiter ging es dann mit ein paar Takedowns, der Schwerpunkt lag aber auf der Bodenarbeit. Hier konnte ich natürlich von meiner Judo-Erfahrung profitieren. Dachte ich zumindest zunächst. Doch dann hat einer der anderen Teilnehmer aufgehört und sein Partner wurde uns durch Ralf mit den Worten „Uli, mach bei den beiden hier mit, das passt gut!“ zugeteilt. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass Uli auch Referent (für Ringen) war und 10 Jahre Bundesligaringer war. Da hatten weder Christopher noch ich im lockeren Griffkampftraining auch nur den Hauch einer Chance. Uli war uns haushoch überlegen und demonstrierte dies auch im weiteren Verlauf am Boden immer wieder gekonnt. Interessant war es vor allem, als es zu einer Version des Kesa-Gatame kam. Hier haben Ringer zwar ähnliche, aber natürlich andere Schwerpunkte als Judoka und mir wurde sehr effektiv gezeigt, warum man wirklich auf gar gar gar keinen Fall zulassen sollte, dass ein Ringer seine Hände hinter deinem Rücken schließen kann 😉 Als wir dann zu den Hebeln und Würgern gekommen sind (Variationen von Hadaka-Jime, Ude Gatame und ähnlichen) konnten wir dann wiederum Uli ein wenig unterstützen. Ein sehr schönes Erlebnis, welches auch zeigt was die Stärke solcher Lehrgänge ist: Jeder hat andere Schwerpunkte und kann sicher noch vieles lernen, aber eben auch in vielen Punkten schon von seinem Wissen profitieren. Vielen Dank an dieser Stelle nochmal an Uli, es war wirklich ein super Training. Des Weiteren muss man an dieser Stelle einfach festhalten, wie cool es ist mit Ralf zu trainieren. Obwohl er wohl der mit Abstand größte „Promi“ des Tages war (Filme mit Dolph Lundgren, Auftritte bei Richterin Barbara Salesch, Hunde retten, sozial benachteiligte Kids unterstützen – Ralf ist tatsächlich ziemlich präsent in der deutschen Medienlandschaft) wirkte er wie gewohnt vollkommen unprätentiös, beantwortete jede Rückfrage, zeigte sich sehr interessiert und beobachtete intensiv, ob alle mitkamen und die Technik umsetzen konnten. Und wenn dir so jemand Tipps zu Wettkampfverhalten und ähnlichem gibt, dann hörst du lieber zu. Du kennst ihn nicht? Auf Ralf Seegers Homepage gibt es einen guten Überblick über alles was er schon erlebt hat.
Grappling / BJJ mit Delroy Jackman
Abgesehen davon, dass das Thema sowieso interessant für uns war wirkte Delroy schon bei der Vorstellungsrunde sehr „professionell“. Es lässt sich schwer beschreiben, er hat nicht angegeben, sich
lauthals beworben, oder sonst irgendwas. Er strahlte einfach die Souveränität von jemandem aus, der weiß was er tut, wie er es tut und wie er es vermitteln kann. Irgendwie wie der stille, geheimnisvolle Coach aus einem guten Amerikanischen College-Ringer-Film (gibt’s das?). Ungefähr so gestaltete sich das Training dann auch. Delroy führte sehr strukturiert durch die Techniken, brach sie immer auf die einzelnen Elemente herunter und beschrieb, warum welche Bewegung wichtig ist („hier musst du das Bein auf seinen Rücken schieben, damit er nicht rollen kann“, „wenn er probiert aufzustehen musst du deinen Arm hier einhaken“,…). Dabei sprach er immer sehr leise und unterbrach das Training nie lautstark, wenn es zur nächsten Übung ging. Dementsprechend musste man sehr aufmerksam sein um alles mitzubekommen. Das meine ich nicht im Sinne von „ich verheimliche euch etwas“ (im Gegenteil), sondern eher so wie „ich zeige gerne alles, aber ihr müsst schon selber darauf achten, dass ihr aufpasst“. Ein sehr sympathischer, ruhiger Mensch der offensichtlich eine saubere, technische Ausbildung bietet. Es würde sicher viel Spaß machen länger mit ihm zu trainieren (nächster Dortmunder Budolehrgang, Delroy?). Auch hier kam mir natürlich das Judo zu Gute. Im Prinzip hätte man alle hier gezeigten Techniken 1:1 auch im Judotraining finden können. Dementsprechend muss ich mir dringend ein paar Ausführungen merken und sie in unser Training integrieren (noch ein Pluspunkt für den Lehrgang). Etwas mehr über ihn erfährst du auf der Seite des Dortmunder Budolehrgangs über Delroy Jackman.
Tai Chi Chuan mit Peter Rutkowski
Hier stand eine schwere Entscheidung für uns an. Ringen mit unserem alten Bekannten Uli oder Tai Chi Chuan mit Peter? Da wir beide schon etwas mitgenommen waren entschieden wir uns letztendlich für Peter. Ob es die „richtige“ Entscheidung war? Keine Ahnung. Es war jedenfalls eine gute Entscheidung, da Peter mit uns schon etliche Schritte der Peking Form durchging. Ich habe ja minimale Tai Chi Erfahrung und finde es immer wieder faszinierend, wie gut man hier seinen Körper und seine Energie fühlt. Ich könnte mir gut vorstellen später mehr Tai Chi zu machen, das klappt bestimmt auch mit 80 noch relativ gut (andererseits gibt es ja gute Beispiele dafür, dass das auch beim Judo und Bujinkan so sein kann). Peter hat mit sehr anschaulichen Beispielen durch die Form geführt, so dass ich vermutlich auch in ein paar Tagen noch weiß was wir gemacht haben, obwohl ich jetzt schon wieder vergessen habe, wie dieser super coole BJJ Eingang zum Ude-Gatame ging… Besonders gefallen hat mir, dass er bei einem Durchgang den Fokus oftmals auf einzelne Bereiche gelegt hat. Einmal waren es die Fußbewegungen, dann die Atmung, nun die Arme,… Nach einem ähnlichen Prinzip versuche ich auch oft anderen etwas beizubringen. Ein sehr netter, ruhiger Ausklang des erfolgreichen und interessanten Tages. Mehr Information gibt es auf der Seite des Dortmunder Budolehrgangs über Peter Rutkowski.
Abschließende Worte zum Dortmunder Budolehrgang
Vielen Dank an dieser Stelle an Christopher fürs Training, Wilfried Peters für die Organisation und alle Referenten für die Demonstration und das teilhaben-lassen an ihren Künsten.
Der einzige Negativpunkt am Lehrgang sind natürlich die Opportunitätskosten. Hätte ich auch gerne Taijutsu HK-Ryu, Muay Thai oder historisches Fechten gemacht? Auf jeden Fall. Die ersten kenne ich zum Glück noch von letztem Mal, aber vielleicht möchte ich dann doch nächstes Jahr mal jemanden mit einem spanischen Flegel oder einem Zweihänder verhauen. So gibt es immer Gründe wiederzukommen.
Kommentare? Ich muss nächstes Mal unbedingt was anderes trainieren? Oder sollte lieber zu Hause bleiben und Kuchen backen, weil diese ganze Kampfkunst-Sache eh nichts bringt? 😉 Nutze das Kommentarfeld.
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